Von Ehrenpräsident Holger Magel

München, im Mai 2022. Sie gehörte zu den frühesten und treuesten Mitgliedern unserer Akademie: Ministerialrätin Charlotte Daniel, die Ikone der ländlichen Hauswirtschaft in Bayern und darüber hinaus.

Akademiemitglied und heutiger Leiter der Abteilung A „Bildung und Beratung“ Ministerialdirigent Dr. Maximilian Wohlgschaft schreibt in seinem Nachruf über sie:

„Charlotte Daniel war in der Zeit von 1969 bis zum Ruhestandseintritt 2003 im Ministerium in der Abteilung A tätig. Als Referatsleiterin A3 „Hauswirtschaft, Beratung und Landfrauen“ wirkte sie 23 Jahre und war zuständig für die Themenbereiche Ernährung, Hauswirtschaft, Einkommensalternativen und Landfrauen. Es war ihr eine Herzensangelegenheit, die Bäuerin als eigenständige Unternehmerin zu sehen. Darauf richtete sie zukunftsweisend die Beratung für Einkommensalternativen aus. Diesen Gedanken vertrat sie vehement auch in der Internationalen Akademie für ländliche Beratung (IALB). Als Präsidentin der IALB von 1998 bis 2002 wandelte sie den ehemaligen Arbeitskreis der Berater in eine internationale Akademie um und wirkte maßgeblich an deren Ausgestaltung mit.“

Diesen würdigen Zeilen sollen noch einige persönliche Anmerkungen und Erlebnisse mit der Verstorbenen vom ehemaligen Kollegen Holger Magel hinzugefügt werden:

Charlotte Daniel war in den 70er und insbesondere 80er Jahren die alles überragende Figur der ländlichen Hauswirtschaft und im „Reich der Landfrauen“. Sie startete wie der neue, aus demselben Landkreis Pfaffenhofen stammende Minister Hans Eisenmann 1969 ihren Dienst im Ministerium und stieg dank ihrer Fähigkeiten schnell auf – immer auch gestützt vom Wohlwollen des Ministers! Ihre Fähigkeiten erklären ihren Erfolg: kompetent, charmant und gewinnend, rhetorisch, aber auch führungsstark bis hin zu gewisser Härte, wo es notwendig schien. Da kamen erlernte Fähigkeiten vom elterlichen Betrieb durch. Und: sie hatte eine Vision von der neuen Rolle der Bäuerinnen und Landfrauen!

Ich hatte das Glück, recht schnell mit ihr kooperieren zu können, da sie früher als andere die großen (Mitwirkungs-) Möglichkeiten ihrer Klientel in der Dorferneuerung erkannte. Schnell auch schloss sie sich unserer Akademie an; ihr folgten später Kolleginnen wie z.B. Marianne Pesold, Dr. Viktoria Lofner-Meir oder Hildegard Rust.

Ein Höhepunkt dieser schönen Zusammenarbeit war die Akademietagung (damals noch in Form der Landesgruppe Bayern der deutschen Akademie) in Freising im Frühjahr 1987 mit StM Hans Eisenmann (seine letzte Tagung mit uns!) und BBV Präsident Gustav Sühler und – Bäuerinnen, die dank Charlotte Daniels Coaching selbstbewusst mehr Mitwirkung und Mitsprache in der Dorferneuerung forderten. Damals wurde unter Daniels Einfluss der Begriff „familienorientierte Dorferneuerung“ geboren. Dorferneuerung und Landfrauen (mit gemeinsamem Besuch von überfüllten Landfrauentagen) waren fortan eine oft beschworene Einheit.

Noch ein unvergessenes Erlebnis, das Charlotte Daniels großen Einfluss und ihr Bekenntnis zur bayerischen Heimat und Agrarpolitik zeigt:

Im Juni 2004 lud sie mich als Past Präsidentin der IALB zur Jahrestagung nach Quedlinburg ein: Nach meinem Vortrag über nachhaltige Ländliche Entwicklung und  Landentwicklung inkl. mancher Ausführungen zur diesen Strategien unterliegenden bayerischen Agrarpolitik folgte der Vortrag eines Agrarökonomen aus Halle, das damals schon bekannt war für rein effizienzorientierte Aussagen zur (Groß) Landwirtschaft. Der Professor wähnte sich auf einem Heimspiel und kritisierte prompt und recht unhöflich seinen Vorredner aus Bayern und attestierte ihm romantische und aus der Zeit gefallene Ansichten zur Landwirtschaft und bäuerlich gepflegten Kulturlandschaft.

Holger Magel musste sich in der nachfolgenden Diskussion gar nicht erst wehren, denn das besorgten für ihn Charlotte Daniel und ihre Damen: Selten wurde ein Professor von einem weiblichen Furor so eingedeckt wie dieser Herr aus Halle. In der nachfolgenden Pause standen er und seine Professorenkollegen aus Halle sichtlich geschockt und abgesondert in einer Ecke des Vestibüls und schauten immer wieder verunsichert auf die zufrieden wirkende Charlotte Daniel, die “ihren“ bayerischen Akademiechef mitsamt Damenchor stolz unter ihre Fittiche nahm.

Ja, so war Charlotte Daniel: sie konnte unglaublich loslegen und machtbewusst und machtausübend sein, aber ebenso unglaublich charmant und liebenswert. Wir werden sie in bester Erinnerung behalten.

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