Präambel

Als Bayerische Akademie Ländlicher Raum vertreten, erforschen und vermitteln wir die Belange der Menschen in den ländlichen Räumen in Bayern und die Aspekte ihrer Lebensbedingungen, Lebensräume und Landschaften. Wir verstehen uns als unabhängige Institution, die die Interessen ländlicher Räume im Austausch mit Verwaltungen, Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden, Zivilgesellschaft und der Politik vertritt. Wir verfolgen die Ziele einer gleichwertigen Entwicklung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im ganzen Land im Sinne einer Räumlichen Gerechtigkeit mit ihren vier Dimensionen Chancen-, Verteilungs-, Verfahrens- und Generationengerechtigkeit. Dabei wollen wir das Land im Wandel begleiten: mit dem Willen, das Erbe zu bewahren und zu gestalten, um Zukunft zu entwerfen,
das Land in Vielfalt sehen: im Bewusstsein seiner Eigenarten und Verschiedenheiten die Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge stärken, Land und Stadt als kooperative Partner auf gleicher Augenhöhe erkennen: mit dem Ziel großräumig ausgewogener Ordnung und Entwicklung aller Teilräume im Sinne o. g. Räumlicher Gerechtigkeit. Wir begleiten Entwicklungen kritisch, konstruktiv und konzeptionell. So fördern wir das Bewusstsein für die Herausforderungen der Zukunft und für ländliche Qualitäten, bringen Lösungen ein und stellen folgende Thesen zur Diskussion.

Werte

eine offene und vielfältige ländliche Kultur leben

Auf der Grundlage von typisch ländlichem Gemeinsinn und Solidarität wollen wir zur Stärkung des ländlichen Raumes Kulturen traditioneller und neuer, emanzipierter und vielfältiger ländlicher Lebensstile als Ausdruck von Kreativität, Gestaltungskraft, Anpassungs- und Innovationsfähigkeit Platz geben und zugleich zusammenführen, das Leben, Miterleben und Weitergeben von universellen Werten hervorheben, Integration der Zuwandernden aus dem In- und Ausland in den ländlichen Raum als Chance begreifen, hierfür strukturelle Voraussetzungen wie hochwertige Mobilitäts-, Wohnraum- und Bildungsangebote schaffen, dadurch die Lebensqualität und Bleibeperspektiven für alle sichern und so die gemeinsame Fortentwicklung und Gestaltung einer aufgeschlossenen ländlichen Dorf- und Stadtgesellschaft fördern.

Daseinsvorsorge

Gesellschaftliche Vereinbarungen erneuern

Weil sich neue ländliche Gemeinschafts- und Familienstrukturen etablieren, die Versorgungs- und Sozialsysteme auch an demografische Veränderungen angepasst werden müssen, Daseinsvorsorge aber überall unteilbare gesellschaftliche Aufgabe bleibt, sind Rahmenbedingungen für die Lebensqualität in verschiedenen Lebenslagen und für alle Generationen zu verbessern und die Heimatbindung der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und Familien zu stärken, neue soziale Generationen- und medizinische Versorgungsverträge, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, neue Verantwortungsrollen für das dritte Lebensalter zu schaffen, Zusammenarbeitsstrukturen zur Erfüllung sozialer Aufgaben in geteilter Verantwortung zwischen Ehrenamt und Professionalität, Staat, Kommune, Zivilgesellschaft, Markt und Sozialwirtschaft zu verstetigen, neue lokale und regionale Institutionen und Kooperationen zur Vernetzung von Infrastrukturen, Gemeinbedarfseinrichtungen und allen öffentlichen Gütern und Ressourcen zu etablieren und in Ortskernen vernachlässigte traditionelle sowie neue öffentliche Räume im Zusammenhang mit Arbeits-, Lebens- und Kulturorten als außerhäusliche Treffpunkte für verschiedene Generationen, besonders für Jugendliche, Familien und die Älteren des dritten und vierten Lebensalters zugänglich zu machen.

„Für eine gemeinsame Zukunft von Stadt und Land“

— veröffentlicht im Rahmen des 30jährigen Jubiläums 2018

Strukturpolitik

räumliche Gerechtigkeit, Selbstgestaltung anstreben

Um die ökonomischen Strukturen für das Land und die Arbeitsteilung mit den Verdichtungsräumen tragfähig zu erhalten, Arbeit und Wohlstand als Voraussetzung für sozialen Frieden, Integration und Gerechtigkeit zu sichern, müssen wir überlebensfähige traditionelle Arbeitswelten, gewerblichen Mittelstand, nachhaltige industrielle Kerne, neue Technologien, Unternehmernetzwerke, Kooperationen von Unternehmen und Bildungseinrichtungen fördern, durch besonders leistungsfähige digitale Netze Arbeitsplätze auf dem Land halten, qualifizieren und neue schaffen, ländliche Bildung, Aus- und Fortbildungsfähigkeiten und rurale Wissensgesellschaften stärken, nationale Strukturpolitik durch verbesserte Gemeinde-finanzierung und Finanzausgleich weiterhin am Prinzip der ausgleichenden Raumentwicklung ausrichten, die Zukunft der ländlichen Räume Bayerns in einem Europa der Regionen aufbauen und eine starke europäische und nationale Strukturpolitik für den ländlichen Raum unterstützen, faire soziale, ökologische und ökonomische Beziehungen zwischen Stadt und Land zu beiderseitigem Nutzen fördern, den sanften nachhaltigen Tourismus und die Naherholung auf dem Land im Rahmen selbstbestimmter Belastbarkeit beleben, nutzungsoffene und flexible Räume für kreative Kulturen erlauben.

Mobilität

Infrastruktur gezielt stärken

Das Leitbild des autogerechten ländlichen Raumes muss sich mittel- bis langfristig wandeln. Im Vordergrund muss das zukunftsorientierte Modell einer intelligenten und nachhaltigen Mobilität für alle Bevölkerungsteile und alle Räume stehen; hierfür sind Mobilität als Voraussetzung für Integration und für Attraktivität in der Region anzuerkennen und Mobilität für alle als Teilhabeleistung in verschiedenen Lebenslagen bereitzustellen, Radwege an jeder vielbefahrenen Straße, Radschnell-wege und Bürgerbuslösungen, Carsharing-Modelle und Mobilitätskonzepte der intelligenten Nachbarschaftshilfe anzustreben und zu forcieren, wofür auch die entsprechende digitale Infrastruktur in ländlichen Räumen geschaffen werden muss, ein verträglicher und behutsamer Straßenbau notwendig, der die Erschließung des ländlichen Raumes in die Tiefe verbessert, ohne dabei Landschaft zu zerschneiden und zu zerstören, die Naherschließung an Raumqualitäten zu orientieren, indem Landschaftsrouten auch touristischen Mehrwert schaffen, historische Ortsverbindungen erhalten und Ortskerne angeschlossen bleiben, bessere Vernetzung der öffentlichen und privaten Verkehrsträger zwischen Stadt und Land sowie auf dem Land zu forcieren – auf Schiene, Straße und Wasser.

Landnutzung

Ressourcen nachhaltig bewirtschaften

Weil sich ökonomische, soziale und energetische Strukturen der Landnutzung grundlegend wandeln, müssen wir aktiv die Eigenständigkeit und Weiterentwicklung der Kulturlandschaft gestalten, ihre Strukturvielfalt und damit ihre nachhaltige Leistungsfähigkeit und Resilienz stärken, Flächenverbrauch begrenzen, Böden schonen, Grundwasser schützen, Gewässer renaturieren und den Artenrückgang stoppen, neue Formen nachhaltiger Landwirtschaft und Solidarität mit der Landwirtschaft sowie neue regionale Märkte und Versorgungsstrukturen aufbauen, engagiert erneuerbare Energien als neue Elemente der Landschaft und der regionalen Wertschöpfung landschafts- und sozialgerecht integrieren, großzügig differenzierte und ökologische Landnutzung fördern als Leistung für die Allgemeinheit und als Bestandteil ländlicher Mehrfacheinkommen.

Landschaft

Ländlichen Raum ganzheitlich verantworten

Weil neue staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure und globale Herausforderungen das Gestalten, Steuern und Koordinieren stark herausfordern, müssen wir Subsidiarität neu definieren, indem die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und gleichzeitig zu mehr Verantwortungsübernahme für regionale und gesamt-räumliche Fragen verpflichtet wird, in Landentwicklung und Landmanagement die intensive aktive Bürgermitwirkung nutzen, um kollektive und zivilgesellschaftliche Verantwortung zu fördern, gemeindeübergreifende Zusammenarbeit und neue Stadt-Land-Partnerschaften bei der Produktion, dem Verkehr und der Kultur entwickeln und fördern, Weiterbildungs- und Netzwerkinstitutionen, wie z. B. die Schulen der Dorf- und Landentwicklung, stärken,
Instrumente wie Integrierte Ländliche Entwicklung, Dorferneuerung, Flurneuordnung, LEADER, Städtebauförderung, die Europäische Strukturförderung, Landschaftsplanung, Denkmalpflege u.a.m., stärken und noch mehr vernetzen.

Beschlossen von der Mitgliederversammlung der ALR im Mai 2018.

Gemeinsam für Stadt und Land

Die Bayerische Akademie Ländlicher Raum lädt gerne alle relevanten gesellschaftlichen Institutionen und Partner in Stadt und Land ein, gemeinsam über Herausforderungen, Leitlinien und konkrete Wege der Entwicklung ländlicher Räume zu diskutieren. Ziel ist dabei eine ökonomisch vitale, sozial gerechte, ökologisch tragfähige und lebenswerte Zukunft von Stadt und Land!