Gero Suhner veröffentlicht fünf Thesen zur nachhaltigen Quartiersentwicklung

Der Münchner Architekt und Planungstheoretiker Gero Suhner, berufenes Mitglied der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, veröffentlichte jüngst im aktuellen Buch „Into the Wild“ des internationalen Forschungskollektivs „Non Architecture“ fünf Thesen zur nachhaltigen Quartiersentwicklung.

Das englischsprachige Essay bildet ein Buchkapitel, das kreislaufgerechtes Planen und Bauen als Grundlage nachhaltiger Quartiersentwicklung sieht. Vor dem Hintergrund stetig wachsender Städte (UN-Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 68% der Weltbevölkerung in Städten leben) stellen globale Krisen und Megatrends erhebliche Einflüsse auf Architektur und Städtebau dar. Gleichzeitig gewinnt der Planungsmaßstab der Quartiersebene zunehmend größere Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung von Gemeinden, Dörfern oder Städten.

Aufbauend auf der Hypothese des bekannten deutschen Städtebau-Professors und einstigen Rektors der heutigen Technischen Universität München, Prof. Gerd Albers (1919 – 2015), formuliert Gero Suhner mit seinem Essay fünf umfassende Thesen zur nachhaltigen Quartiersentwicklung um diese international zur Diskussion zu stellen. Albers´ Hypothese besagt, dass die meisten Städte bereits vorhanden seien, sich jedoch verändern. Planung sei deshalb eine Steuerung der Veränderung.

– These 1: Unsere Städte sind gebaut und wachsen nicht in Isolation

Wir müssen das Wachstum unserer Städte kooperativ mit ihrem Umland betrachten. Land ist unvermehrbar und endliche Ressource. Der verantwortungsvolle, sparsame Umgang mit Land und Regionalplanung zur Unterstützung der Städte sind essentiell. Städte sollen Land erwerben, nicht verkaufen. Bodenvorrat bietet Planungssicherheit und stellt die Grundlage dar, um sowohl die Klima- als auch die Wohnungskrise zu bewältigen.

– These 2: Jeder Neuentwicklung geht eine Vornutzug voraus

Sei es der Abriss von Gebäuden, der große Mengen an nicht mehr nutzbarer grauer Energie freisetzt oder Entwicklungen auf der grünen Wiese, die Verluste von Kulturlandschaften darstellen: Jeder Nutzung geht eine Vornutzung voraus. Es ist deshalb unerlässlich, das Bestehende bei Neuentwicklungen qualifiziert einzubeziehen (zirkuläre Architektur). Landschaftsverluste müssen zumindest kompensiert werden, z.B. durch grüne Fassaden, Dächer oder Urban Farming.

– These 3: Nachhaltige Entwicklung von Quartieren erfordert einen ganzheitlichen Ansatz

Eine nachhaltige und klimasensible Quartiersentwicklung ist Lebenszyklus basiert, priorisiert Klimaschutz sowie Klimaanpassung und nutzt Flächen ohne Abriss oder Landschaftsverlust. Ein heuristischer (Trial-and-Error) Ansatz mit einer anschließenden Evaluation auf großmaßstäblicher Ebene ermöglicht neue Planungsansätze zu erforschen und die Akzeptanz von Entwicklungen zu verbessern.

– These 4: Eine Quartiersentwicklung muss sozialräumlichen Mehrwert bieten

Anstelle von Gated Communities brauchen wir Entwicklungen, die sich in bestehende Nachbarschaften öffnen und soziale, ökologische sowie ökonomische Mehrwerte schaffen. Dialogfunktionen, verbesserte Aufenthaltsqualitäten, ästhetischer Mehrwert oder Einkaufsmöglichkeiten in Laufdistanzen sind nur wenige Beispiele die, in Ergänzung zu Klimaanpassungsmaßnahmen oder ökologischen Bauweisen, zusätzliche Qualitäten in einem Quartier schaffen.

– These 5: Nachhaltige Quartiersentwicklung ist gemeinwohlorientiert

Nachhaltige Quartiersentwicklung ist nicht zur kreislaufgerecht sondern dient dem Gemeinwohl. Kommunen müssen aktiv handeln. Land in kommunaler Hand sowie ein klar ausgesprochenes Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung sind wesentliche Voraussetzungen. Kreislaufgerechte Entwicklung stellt die Frage: Wer baut für wen und zu welchem Zweck? Sie hinterfragt ob Gewinnmaximierung oder Gemeinwohl Triebfedern eines Projekts darstellen.

(Übersetzung aus dem Englischen)

aus:

Suhner, G. (2022) Five Theses for Sustainable Design of Urban Districts, in: Into the Wild. Non Architecture

Das Buch „Into the Wild“ von „Non Architecture“ ist hier als Print und .pdf erhältlich.

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