Erstmaliger Erfahrungsaustausch mit Slowakischen Landpionieren über Fragen des ländlichen Raumes und der Bodenordnung
München, im Februar 2022. Auf Einladung des Vereins „Christliche Bewegung für den ländlichen Raum in der Slowakei“ (Krestan Na Vidieku), vermittelt und organisiert von der Koordinatorin des europäischen Netzwerks PRORURE Veronika Stich in Oberostendorf, Allgäu war Ehrenpräsident Holger Magel am 16. Februar Impulsredner und Gesprächspartner bei einer 2 1/2 stündigen Videokonferenz mit slowakischen Offiziellen und ehrenamtlich tätigen Mitgliedern und Pionieren der Bewegung. Die Konferenz zum Thema Infrastruktur war eingebettet in die insgesamt 8 teilige Konferenzreihe mit dem Titel „Ländlicher Raum: Lebens- und Wirtschaftsraum mit Zukunft? Welche Zukunft haben Dörfer in der Slowakei?“ In den vorherigen Abenden waren u.a MdEP und HSS Vorsitzender Markus Ferber sowie weitere Vertreter der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments am Start. Gesprächspartner waren jeweils hohe Vertreter der slowakischen Regierung, oft auf Minister- oder Staatssekretärebene, sowie Bürgermeister, Regionalmanager und Repräsentanten von Krestan Na Vidieku.
Dringender Bedarf an Flurbereinigung
Co – Referent und unmittelbarer Gesprächspartner von Magel war am 16.2. der 1.Staatsekretär und Leiter des slowakischen Ministeriums für Investitionen, Regionalentwicklung und Information in Pressburg Prof. DDr. Dusan Velic; mit dabei Regionalmanager, LEADER LAG Verantwortliche und Bürgermeister.
In der lebhaften und ungewöhnlich offenen Diskussion zeigte sich sehr klar die Problematik der Slowakei: der ländliche Raum wird mehr oder weniger von einer Politik zugunsten der Städte und Ballungsräume in die zweite Reihe und in den politischen Hintergrund gedrängt, die ländlichen EU Hilfen bewirken offensichtlich nicht allzu viel, denn -so das vernichtende Urteil eines Bürgermeisters – es wird am Dach herumgebaut, währenddessen das Fundament fehlt!
Was ist gemeint? 30 Jahre nach der Öffnung und der Selbständigkeit behindern z.B. immer noch ungeordnete Besitzverhältnisse und mangelnde Erschließung die infrastrukturelle Entwicklung auf dem peripheren Lande! Hier zeigt sich die alte Wahrheit: It`s all about Land! Die Slowakei weist eine sehr hohe Besitzzersplitterung und unklare Eigentumsverhältnisse auf, die ein vernünftiges Bewirtschaften und Investieren in der Landwirtschaft oder sonstige wirtschaftliche Investitionen und Strukturmassnahmen unmöglich machen oder zumindest sehr erschweren. Schuld ist u.a. die von Ungarn ererbte Realteilung in Teilen der Slowakei. Dazu die offiziellen Angaben des Landwirtschaftsministeriums auf seiner Webpage:
„Derzeit gibt es in der Slowakei 8,4 Millionen Eigentumsgrundstücke, 4,4 Millionen registrierte Grundeigentümer und 100,7 Millionen Miteigentumsverhältnisse. Die durchschnittliche Anzahl der Miteigentümer pro Grundstück beträgt 11,93 und ein Eigentümer besitzt im Durchschnitt 22,74 Grundstücke.“ …Die Systemlösung ist die Bodenordnung, die allerdings bisher sehr langsam war. Stand 2018 wurden nur 418 komplexe und 91 einfache Flurneuordnungen von insgesamt 3559 Katastergebieten abgeschlossen. Wo sie stattfanden, waren sie allerdings höchst erfolgreich bei der Reduzierung der Eigentümer (bis zu 86 % Reduzierung)! Dies bestätigen auch verschiedene wissenschaftliche Veröffentlichungen; allerdings verschweigen sie die große Not des Flurbereinigungsrückstands wie er von Magels Gesprächpartnern geäußert wurde.
Holger Magel zeigte sich überrascht über diesen beklagten großen Rückstand der slowakischen Flurbereinigung – 30 Jahre nach der Selbständigkeit der Slowakei und angesichts jahrelanger massiver Hilfen der EU! Flurbereinigung ist also dringendst notwendig!!!
Gibt es eine gleichwertige Entwicklung im Lande?
Die Diskussion erstreckte sich auch auf die Raumordnung als übergeordneten Rahmen für die ländliche Entwicklungspolitik. Dies ist umso wichtiger, als die Slowakei mehr Gemeinden hat als Bayern, nämlich 3000, darunter allein ein Drittel mit einer Einwohnerzahl von kleiner 1000. Daraus erwächst der dringende Bedarf nach sich gegenseitig ergänzender und stärkender interkommunaler Kooperation und Entwicklung (ILE?), um so die Lebensqualität und die jungen Leute im Ländlichen Raum zu steigern bzw. zu halten. Notwendig werden bisher fehlende Visionen und Leitbilder für den ländlichen Raum zusätzlich zu den Konzepten für regionale Stadtzentren.
Großes Interesse fand das von Magel vorgestellte und für die Slowakei absolut neue Konzept der Räumlichen Gerechtigkeit.
Magel wies darauf hin, dass dieses Modell von Magel/Miosga inzwischen in ganz Deutschland sowie in China oder Polen diskutiert wird.
Viel wurde auch über die Partizipation gesprochen. Magel machte darauf aufmerksam, dass Partizipation kein Selbstläufer ist, sicherlich auch nicht in der Bevölkerung der jahrzehntelang politisch von oben dominierten Slowakei, sondern die Befähigung und das “Lernen“ der Planungsvorgänge bei Bürgern, NGO-Vertretern und Funktionären voraussetze. Dafür seien in Bayern die Schulen der Dorferneuerung und Landentwicklung gegründet worden sowie als zivilgesellschaftlicher Anwalt und fachliches Sprachrohr des ländlichen Raumes die Bayerische Akademie Ländlicher Raum.
Besuch in Bayern?
Magel ermunterte abschließend die slowakischen Gesprächspartner zu einer Studienexkursion nach Bayern, um vor dort allem die Praxis der Flurbereinigung und Ländlichen Entwicklung zu studieren und die SDL zu besuchen.
Vielleicht können sich dann beide Seiten über die Arbeits- und Wirkungsweise von ehrenamtlich organisierten Anwälten (Vereinen, Akademien) für den ländlichen Raum und ihre Kooperation unterhalten.
Holger Magel
Den Input von Prof. Magel auf der Veranstaltung finden Sie hier: