Nachruf

Der große Hubert Weinzierl ist tot!

Die Akademie verneigt sich vor der Ikone des deutschen und bayerischen Naturschutzes

© Beate Seitz Weinzierl

Ein persönlicher Nachruf von Ehrenpräsident Holger Magel

München, im Juni 2025. Schon lange hat man nichts mehr vom erblindeten, nach manchen Enttäuschungen auch mit dem eigenen Verband längst zurückgezogen lebenden Hubert Weinzierl gehört; nun ist er im 90. Lebensjahr gestorben. Die Medien sind voll von Nachrufen aller Art- alle sind sich darin einig, dass da ein ganz Großer gegangen ist, nämlich der erste öffentlich sehr, sehr  wahrnehmbare und streitbare Verbandsnaturschützer, der unendliche Verdienste und Funktionen aller Art hatte. Auf diese Berichte wird verwiesen z.B. in der SZ, deren Wohlwollen Hubert Weinzierl (HW) lebenslang  erfahren durfte, aber auch auf die Nachrufe des Bund Naturschutz  Bayern (BN), BUND,  DNR , Rat für Nachhaltigkeit etc…

Hier soll auf Weinzierls Beziehung zur Akademie, Flurbereinigung bzw. Ländlicher Entwicklung und zum Autor dieses Nachrufs eingegangen werden, was vielen der heutigen Generation gar nicht mehr bewusst sein dürfte.

Er startete als amtlicher Naturschützer!

Hubert Weinzierl wurde in eine großbürgerliche Ingolstädter (Unternehmer-)Familie hineingeboren und entwickelte schon in der Kindheit, wie übrigens auch Horst Seehofer oder der Autor, eine besondere Liebe zur heimatlichen Donau mitsamt ihren Auwäldern und Sümpfen. Er studierte Forstwirtschaft, arbeitete im Betrieb des Vaters und: wurde ehrenamtlicher Regierungsbeauftragter für Naturschutz der Regierung von Niederbayern! In dieser Funktion tauchte er 1972 in einem Flurbereinigungsverfahren nahe Landshut auf und konfrontierte den Leiter des Verfahrens  und Teilnehmergemeinschaft-Vorsitzenden mit ziemlich kritischen Fragen. Der Leiter war Holger Magel.  Dass es noch kritischer sein konnte zeigte sich,  als sehr bald der Nachfolger von Weinzierl auftauchte, ein ziemlich ruppig auftretender Niederbayer Helmut Steininger, der fortan wenig zum Friedensschluss mit der ziemlich verhassten Flurbereinigung beitrug – selbst nicht bei Dienstbesprechungen mit dem auf Friedensschluss eingestimmten höheren Dienst der Flurbereinigungsdirektion München.

Ein Wiedersehen mit Weinzierl gab es, als Magel im Ministerium war und dort u.a. für Landschaftsfragen zuständig war. Weinzierl  ging  im Ministerium ein und aus und hatte direkten Zugang zum Minister. Dazu muss man wissen, dass die Familien Weinzierl und Eisenmann sich gut kannten, was auch der Grund war, dass es zwischen Minister Eisenmann und dem ansonsten so streitbaren Weinzierl nie zu einem ernsthaften Krach kam. Im Gegenteil: Eisenmann vertraute Weinzierl und schuf mit diesem und dessen berühmten Mitstreitern Hans Bibelriether, Horst Stern, Konrad Lorenz, Wolfgang Haber  etc. den Nationalpark Bayerischer Wald.

Wir wollten Erstmaliges in der Flurbereinigung schaffen

Weinzierl beobachtete natürlich aufmerksam den Wandel der Flurbereinigung  hin zu einer landschaftsverträglicheren „Flurbereicherung“  und wies seine Mitarbeiter, darunter seinen Landesbeauftragten Hubert Weiger, an, den neuen Kurs der Flurbereinigung zusammen mit den Orts-und Kreisverbänden des BN zu unterstützen. Dies gelang zwar nicht immer, wie die heftige Auseinandersetzung im Forchheimer Kirschanbaugebiet zeigte, wo sich die Kreisgruppe des BN –  zurecht – unversöhnlich gegenüber der Bamberger Flurbereinigungsdirektion und den landwirtschaftlichen Beratern zeigte. Insgesamt wurde das Verhältnis immer besser, wozu vor allem die Professoren Wolfgang Haber und Landschaftsplaner Reinhard Grebe sowie seine kluge und charmante Frau Beate beitrugen. Die studierte Theologin war Hubert Weinzierl über 40 Jahre lang bis heute eine kongeniale Partnerin , die sein ruheloses Leben er- und viel ausgleichend mittrug sowie souverän ihr gemeinsames KInd , das Bildungszentrum Wiesenfelden , managte.

Höhepunkt des neuen Vertrauensverhältnisses war schließlich auf Vorschlag von Weinzierl das geplante Modellprojekt Flurplanung Höhenberg in Weinzierls Wohngemeinde und Sitz des Bildungszentrums Wiesenfelden. Unter Beratung von „Ökologiepapst“ Wolfgang Haber und gefertigt von Weinzierls Bruder, Landschaftsarchitekt Wolfgang Weinzierl, wurde ein parzellenscharfes Konzept einer differenzierten Landnutzung nach Haber geplant, mitsamt von Betriebswirten der Landwirtschaftsverwaltung errechneten Entschädigungen für die einzelnen Grundeigentümer! Dieses Konzept war einmalig und seiner  Zeit voraus – so weit voraus, dass der a priori beteiligte misstrauische niederbayerische Bauernverband kurz vor der politischen Absegnung seine Zustimmung zurückzog und die Bauern aufrief,  sich zu verweigern. Eine ziemliche Tragödie und Riesenenttäuschung, für Weinzierl und Magel!

Natürlich Mitglied in unserer Akademie

Andererseits hat das die beiden einander nahegebracht. Magel war immer öfter im Bildungszentrum Wiesenfelden und Weinzierl wurde Mitglied der Akademie. Er hielt bei der „Trotztagung“ 1993 „Naturschutz in die Offensive! Nur umweltbewusste Gemeinden haben Zukunft!“ in Gunzenhausen den spektakulären Vortrag „Naturschutz in der Sackgasse? Mehr Mut zu Emotionen!“ (siehe historisches Bild). Emotional konnte Weinzierl ja immer sein, denn er war ein zutiefst sensibler, feinfühlig nach innen gewandter Mensch: nicht umsonst hatten seine lyrischen Gedichte Kultstatus !

15 Jahre später, in der Festschrift „Für das Land. 20 Jahre Bayerische Akademie Ländlicher Raum 1988-2008“ fragt Holger Magel Hubert Weinzierl rückblickend: „1993 forderten Sie dazu  auf , den Mantel der Gleichgültigkeit  gegenüber dem Schutz von Natur und Heimat zu zerreissen . Haben Sie das Gefühl , dass Ihrem Aufruf genügend gefolgt wurde ?“  Darauf Weinzierl: „Leider nein. Vielleicht muss der Leidensdruck noch größer werden. Aber ich bleibe ein pathologischer  Optimist.“

Zu diesem Optimismus gehörte auch sein Aufruf in der Festschrift  zum 60. Geburtstag von Magel: “Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land“ : „Nachhaltigkeit muss Kult werden, muss Spaß machen“.

In diesem wunderschönen Beitrag – ein besonderes Geschenk für Magel –  erlaubt Weinzierl einen Blick in sein Innerstes, wenn er schreibt:

„Globalisierung und Aktiengewinne allein als die scheinbaren Visionen von Glück und Zukunftsfähigkeit haben uns derart in die Enge getrieben , dass immer lauter die Frage danach gestellt wird, ob zum Menschsein nicht doch noch etwas anderes gehört: Das Verlangen nach einer kulturellen Dimension, die Sehnsucht nach Mystischem und die Suche nach verschütteten ethischen Resten sind unüberhörbar geworden…“

Ja,  Hubert Weinzierl war ein zutiefst fühlender und der Generationengerechtigkeit verpflichteter Visionär , der sich gleichwohl in der Realität von (Spitzen- und Kommunal) Politik und Verwaltungshandeln behauptete und tiefe Furchen  und Spuren grub und hinterließ. Daran mussten sich all seine Nachfolger messen lassen.

Wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk und danken ihm für seine so wichtige Unterstützung und Öffnung unserer Akademiearbeit gegenüber den Umwelt – und Naturschutzverbänden. Er möge in Frieden ruhen. Die Welt nicht nur des Naturschutzes hat einen ihrer Besten verloren. Seiner Witwe Beate Seitz – Weinzierl gilt unser aller  Mitgefühl.