
Ein erstes Resümee
Holger Magel, 20.03.2025
Aus allen Richtungen Bayerns kamen sie am Mittwoch, 19.3. 2025 , zusammen im Münchner Konferenzzentrum der Hanns Seidel Stiftung, ob es nun Verwandte, enge Weggefährten, Freunde, Kollegen oder Anhänger des vor einem Jahr verstorbenen ehemaligen Landtagspräsidenten und CSU Fraktionsvorsitzenden Alois Glück waren. Die Bayerische Akademie Ländlicher Raum und die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns Seidel Stiftung haben die bisherige Reihe der gemeinsamen Sommerkolloquien umbenannt in „Alois Glück Kolloquium“.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt – Thema von Alois Glück
Nun fand es das erste Mal mit prominenter Besetzung zum hochaktuellen Thema „Zusammenhalt Stadt Land. Für eine Kultur des Miteinanders“ statt. Dr. Günther Beckstein, der ehemalige Ministerpräsident, war die ganze Veranstaltung hindurch anwesend und hielt am Schluss ein flammendes Plädoyer für all jene Eigenschaften, die er an Alois Glück so schätzte und die heute im politischen und privaten Umgang angesichts einer polarisierten Gesellschaft und zerstrittener Parlamente dringend notwendig sind: (politische) Gegensätze akzeptieren und aushalten, Rede und Gegenrede, Argument und Gegenargument praktizieren und vor allem immer auch Respekt haben vor anderen Meinungen.
Erster Landtagsvizepräsident Tobias Reiß erinnerte in Vertretung von Ilse Aigner an die Legende Alois Glück, die 38 Jahre lang im Landtag wirkte. Er prägte den schönen Satz „Alois Glück war zeitlebens ein Qualitätsversprechen“.Daran fehlt es in einer Zeit gegenseitiger Vorwürfe, ständigen Empörens und Beleidigens.
Verhältnis von Stadt – Land: Ländliche Verbitterung?
Fulminant war der Vortrag des Politikwissenschaftlers und Autors des Buches „Stadt Land Frust. Eine politische Vermessung“, Professor Lukas Haffert. Woher kommt der Frust, der hohe Anteil der AfD-Wähler? Nachdem es materielle Gründe nicht wirklich sein können, vermutet Haffert die Gründe woanders: in einer „ländlichen Verbitterung“. Diese setzt sich aus vier (emotionalen) Argumentationsbereichen zusammen: Ökonomisch („zu viel Steuergeld fliesst vom Land in die Städte“), Politisch („Politik wird in Städten und für Städter gemacht“), Kulturell („Ein ländlicher Lebensstil und harte Arbeit bekommen zu wenig Respekt“), Epistemisch („Gesunder Menschenverstand zählt nicht mehr“). Haffert machte auch Vorschläge, wie man dagegen wirken könnte: Repräsentation („Repräsentation durch Personen und nicht nur durch Programme), mehr Entscheidungen vor Ort, Orte für Debatten erhalten. Damit traf er natürlich voll den Nerv und die Zustimmung der versammelten Zuhörer, die nahezu alle dem Glückschen Weg der Aktiven Bürgergesellschaft und Verantwortungsgemeinschaft verbunden sind.
Beckstein verwies darauf , dass sich der Zusammenhalt auch in der früher eher stabilen ländlichen Gesellschaft geändert habe und dass die Stadt-Land-Problematik sich in Nordbayern ganz anders darstelle als im reichen Süden. Damit bezog er sich auf die vorausgegangene und von Dr. Stefanie Bock (Difu Berlin ) eingeleitete Diskussionsrunde „Regionale Solidarität“ mit den beiden Landräten Christoph Göbel (Lkr. München) und Robert Niedergesäß (Lkr.Ebersberg), die relativ zufrieden konstatierten, dass die wirtschaftliche Lage in der Region München sehr gut und die Zusammenarbeit gewachsen sei.
Zusammenhalt durch Dialog und Beteiligung
Wie man Menschen im Sinne von Alois Glück zusammenbringen und für schwierige Infrastrukturprojekte gewinnen kann, zeigten zwei wunderbare Beispiele: einerseits die ILE Rott&Inn südlich Passau, bei der es in der mit Dr. Ursula Diepolder professionell moderierten Prozessen vor allem darum ging, Landwirte und Gemeinden näher zu bringen und in Runden Tischen und vielen Aktionen gemeinsame Aktionen zu starten; das zweite überzeugende Beispiel waren die Beiträge der TUM Wissenschaftlerinnen Paula Erber und Katharina Dropmann, die gezeigt haben, wie man mit modernen Beteiligungsformen und Online Tools zu einer Positivplanung in der Energiewende gelangen kann. Gemeinsam mit den Bürgern werden die von allen akzeptierten Standorte für Windräder oder PV-Anlagen etc gesucht und gefunden. Das hätte Alois Glück mit Sicherheit fasziniert. So kann durch hochintensive Partizipation ein gemeinsamer Stolz entstehen, der die Gesellschaft befriedet und zusammenhält.
Höhepunkt des Nachmittags war die abschliessende Gesprächsrunde mit Günther Beckstein, der den Runden Tisch Bürgerbeteiligung leitet. Holger Magel formulierte die Angst der Experten, dass die in Bayern ja besonders ausgeprägten Bürgerbeteiligungsformen womöglich reduziert werden sollen. Beckstein widersprach dem vehement und verwies darauf, dass er ein Befürworter der intensiven Bürgerbeteiligung sei und gerade die in der ländlichen Entwicklung entwickelten und praktizierten Bürgerbeteiligungsprozesse sehr schätze. Beim Runden Tisch gehe es vielmehr darum, manche tatsächlich sich leerlaufenden Prozesse bei der Bauleitplanung einzufangen oder transparente und objektive Abläufe bei der Krankenhausplanung zu finden und schließlich auch das Problem der digitalen Unterschriften zu lösen. Er sagte den anwesenden Vertretern der Akademie und der ländlichen Entwicklung zu, an ihn darüber hinaus gerichtete Anliegen vorbehaltlos zu prüfen. Mit diesem gerade dem Stil von Alois Glück entsprechenden Versprechen sorgte Beckstein für einen höchst harmonischen Abschluss dieses ersten Alois Glück Kolloquiums, über das auch das Bayerische Fernsehen kurz berichtete.
Lesen Sie den Artikel „Die Verbitterung greift um sich“ der Bayerischen Staatszeitung.