Klimaschutz durch Moorbodenschutz
Moore sind wertvolle Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten und damit wichtig für die Biodiversität. Dank ihrer Fähigkeit Wasser zu speichern, helfen sie Hochwasser wie auch Dürren abzumildern. Und sie sind bedeutende, natürliche Kohlenstoffspeicher.
Das funktioniert aber nur für intakte, nasse Moore. Bei einem trockengelegten, degradierten Moorboden werden diese positiven Eigenschaften deutlich verändert und können sich gar ins Gegenteil verkehren.
Silke Franke, Oktober 2024
Das (altbayerische) Donaumoos..
liegt im Dreieck zwischen Ingolstadt, Neuburg a.d. Donau und Pöttmes. Das größte Niedermoor Bayerns wurde vor rund 200 Jahren trockengelegt. Seitdem wird das Gebiet maßgeblich landwirtschaftlich genutzt, etwa für Kartoffel- und Maisanbau.
Heute durchziehen Gräben die Landschaft, die insgesamt eine Länge von 473 km einnehmen (siehe M. Winterholler in Anliegen Natur, Heft 42(1), 2020). Durch Entwässerung, Ackerbau und Torfstich ist der Moorkörper zurückgegangen. Die Folgen: Wind- und Wassererosion, Hochwasserprobleme und: Ausstoß von klimaschädlichen Gasen.
Um die Verhältnisse des Gebiets zu verbessern, wurde bereits in den 1980ern ein Gutachten und auf dieser Grundlage das „Donaumoos-Entwicklungskonzept 2000-2030“ erstellt. Demnach sollen bestimmte Gebiete für Siedlungen und die Landwirtschaft gesichert werden, andere wiederum Hochwasserschutz, Moorkörperschutz oder Arten- und Biotopschutz dienen.
Um die Umsetzung kümmert sich der 1991 gegründete Donaumoos-Zweckverband, dem der Bezirk Oberbayern, die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen und Aichach-Friedberg, die Gemeinden Karlshuld, Königsmoos, Karlskron, der Markt Pöttmes, die Städte Neuburg a.d.Donau und Schrobenhausen sowie die vier örtlichen Wasserverbände angehören.
Der Klimaschutz hat unterdessen an Dringlichkeit zugenommen. Dabei rücken erneut Moorböden in den Fokus, denn das Anheben der Wasserstände kann den Abbau des Torfkörpers aufhalten und damit die Freisetzung von CO2 reduzieren.
Klimaschutz durch Moorbodenschutz
In der Regierungserklärung „Klimaland Bayern“ vom 21. Juli 2021 hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2040 insgesamt 55.000 Hektar Moorböden zu sanieren und wiederzuvernässen, etwa über das Moorbauernprogramm und über den Vertragsklimaschutz Niedermoore. Und: Auf 2.000 ha soll im Donaumoos innerhalb von zehn Jahren ein Grundwassermanagement für den Klima- und Moorschutz etabliert werden. Das schließt eine Umstellung auf eine klima- und moorbodenschonende Bewirtschaftung ein. Hierfür werden 200 Mio. Euro bereitgestellt.
Ein herausforderndes und komplexes Vorhaben, bei dem sich viele Fragen stellen: Wie kann der Wasserstand auf Moorböden angehoben werden und zugleich die Fläche wertschöpfend genutzt werden? Welche Nutzungsalternativen gibt es überhaupt?
Die Bayerische Akademie Ländlicher Raum hat sich in ihrer Sommerexkursion, die von den Präsidiumsmitgliedern Matthias Simon und Roland Spiller wiederbelebt wurde, vor Ort ein Bild gemacht.
Ein einzigartiges Experiment
Startpunkt der Besichtigungsrunde war die Marktgemeinde Pöttmes am südwestlichen Ausläufer des Donaumooses. Bürgermeister Mikro Ketz begrüßte persönlich die mehr als 30 Teilnehmer, konnte aufgrund der Vorbereitungen für das anstehende Jubiläum seiner Gemeinde jedoch nicht lange bleiben: Denn die Marktgemeinde hat eine lange Geschichte – Forschungen belegen Funde aus der Jungsteinzeit, eine Ursiedlung gab es wohl in der Zeit der Bajuwarischen Landnahme (6. Jhr.). Seine Marktrechte erhielt der Ort jedenfalls vor genau 700 Jahren durch Kaiser Ludwig den Bayern: am 16. Oktober 1324.
Die Einführung übernahm Roland Spiller (Abteilungsleiter und Leiter der Verwaltung für Ländliche Entwicklung StMELF/ Präsidiumsmitglied BayALR), der sich bei den beteiligten Projektverantwortlichen bedankte, die dieses besondere Event organisiert haben und in den verschiedenen Stationen ihre Aufgaben und Projekte darstellen, sowie bei den Bürgermeister:innen und Verbandssprecher:innen, die wir besuchen dürfen.
Moorbodenschutz von öffentlichem Interesse
Spiller: „Im Donaumoos findet ein einzigartiges Experiment statt, für das zur weiteren Unterstützung ein Donaumoos-Team zusammengestellt wurde“.
Maßnahmen zur Wasserstandsanhebung wirken sich auf den Wasser- und Naturhaushalt aus. In den meisten Fällen sind wasser- und naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren notwendig. Die Anhebung des Grundwasserstands ist nur für hydraulisch abgrenzbare Areale möglich. Als Grenzen fungieren Gefälle und Barrieren wie Gräben und Straßen. Von einem höheren Grundwasserstand sind in der Regel mehrere oder viele Grundstückseigentümer und Landwirte sowie die Anlieger betroffen, die alle zustimmen müssen. Der Freiwillige Landtausch ist ein probates Instrument der Ländlichen Entwicklung, um Eigentümer in eine Moorschutzkulisse hinein- oder aus dieser herauszutauschen. Bei sehr großen Moorschutzgebieten kann aufgrund der hohen Eigentümeranzahl der Weg zum Moorbodenschutz über eine Flurneuordnung führen. Die Ämter für Ländliche Entwicklung sind für Flurneuordnungen zuständig. Sie leisten planerische, finanzielle und organisatorische Hilfe.
Gleich vier Behörden, die an zwei Ministerien angedockt sind, sind am Moorbodenschutz im Donaumoos beteiligt: die jeweils vor Ort zuständigen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Ländliche Entwicklung und Wasserwirtschaft sowie die Regierung von Oberbayern mit dem Sachgebiet Naturschutz. Außerdem hat die Staatsregierung am 27. Juni 2023 beschlossen, dass Klimaschutz durch Moorbodenschutz als „weit überwiegendes öffentliches Interesse“ eingestuft wird. „Dadurch können die Kosten von Maßnahmen mit bis zu 100 Prozent finanziert werden“, erläuterte Spiller.
Monika Hirl (Stellvertretende Leiterin Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern) freut sich, dass das ganze Portfolio an Instrumenten der Ländlichen Entwicklung zur Verfügung steht, wobei ein besonderes Augenmerk auf Flächentausch und Bordenordnung für Projekt zu Wasserrückhaltung bzw. -anstauung liegt. Flurneuordnung und Dorferneuerung und die Initiative boden:ständig standen bereits schon vor dem Klima- und Moorbodenschutz im Donaumoos auf der Tagesordnung.
So ambitioniert das Ziel des Moorbodenschutzes im Donaumoos auch ist, es gilt immer noch der Grundsatz „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ – der Freistaat Bayern setzt auf die Kooperation aller Beteiligten. Dies bedeutet, so Hirl, dass es am wichtigsten ist, mit jeder Gemeinde und jedem Flächenbesitzer zu reden. Zugute komme dabei, „dass wir schon länger in der Region unterwegs sind und dass unsere Verwaltung auch in anderen Projekten bereits vielfältige Erfahrungen mit ‚akteursbezogener Kommunikation (Effectuation-Ansatz)‘ gesammelt hat“. Ohnehin gehe es um mehr als die 2.000 Hektar wiedervernässten Moorboden, nämlich um die Transformation und Resilienz einer Region, so Hirl. Daher ist es auch gut, dass zwölf Gemeinden im Rahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE Donaumoos) gemeinsame Entwicklungsstrategien erarbeiten. Die ILE-Koordinatorin vom Amt, Luise Linsner, steht ihnen unterstützend zur Seite.
In einem ersten Schritt wurde unter Einbindung der Büros KlimaKom und Appel-Kummer eine Bestandsanalyse erstellt. Dabei ging es nicht nur um Klimaschutz und Biodiversität, sondern auch um Bereiche wie Mobilität, Mobilfunk, Daseinsvorsorge, Arbeitskräftemangel oder Bodenpreise. In einem Ampelsystem wurde herausgearbeitet, wo die Region dabei am verwundbarsten ist.
Manuela Heckl, als Bürgermeisterin von Rohrenfels Vorsitzende der ILE, ist überzeugt: „Wir haben nun einen guten Gesamtüberblick und die Chancen und Knackpunkten zeigen uns den Handlungsbedarf auf. Gemeinsam sind wir stärker“.
Das Engagement wird übrigens auch außerhalb der Region wahrgenommen. So meldete sich der Nachhaltigkeits-Campus Neuburg der technischen Hochschule Ingolstadt (THI), der sich einbringen will. „Super“, freute sich Heckl und berichtete von einer THI-Veranstaltung: „Die Studenten haben sich zwei Wochen lang intensiv eingearbeitet unddann ihre Ideen präsentiert. Das war sehr interessant“.
Derzeit werden nach einem Zufallsprinzip Bürger ausgewählt, die einen möglichst repräsentativen Querschnitt abbilden – ähnlich zur bewährten Methode der „Bürgerräte“. Sie sollen in einem Bürgergremium jeweils ihre Gemeinde vertreten und ihre Sicht einbringen. Denn eine Frage, geht schließlich jeden etwas an: Wie sieht eine lebenswerte, nachhaltige und klimafeste Zukunft im Donaumoos aus?
Bodenständig an realisierbare Lösungen herantasten
Die nächste Station führte auf das Gemeindegebiet von Ehekirchen. Mirjam Pöllath und Katharina Bräustetter, beide vom Amt für Ländiche Entwicklung Oberbayern, informierten über die Schwerpunkte, die hier angegangen werden.
Die Gemeinde erarbeitete mit Unterstützung des Amtes ein Gemeindeentwicklungskonzept, das inzwischen mit einer einfachen Dorferneuerung, die den Fokus auf Innenentwicklung setzt, Richtung Umsetzung gegangen ist. 2018 wurde Ehekirchen allerdings gleich mehrmals von Niederschlägen heimgesucht, v.a. am Muttertag im Mai, sodass sich diese Ereignisse seitdem als „Muttertagsregen“ in die Köpfe eingebrannt haben. Der Starkregen grub bis zu 80 Zentimeter tiefe Risse in die Äcker und verwandelte Landwirtschaftswege und Straßen in reißende Bäche. Die Wassermassen und der Schlamm fluteten in die Gemeinde.
Solche Schäden entstehen v.a., wenn – wie hier – Starkregen auf lange, geneigte Schläge mit schluffigen bis feinsandigen Böden fällt, die zur Verschlammung neigen, und wenn Kulturen wie Kartoffel oder Mais angebaut werden, die als „erosionsanfällig“ gelten, da die Böden über längere Zeit unbedeckt und damit Wind und Wasser ausgesetzt sind.
Grund genug, sich dem bayernweit angebotenen Projekt boden:staendig anzuschließen, um in Zukunft besser gewappnet zu sein. Dieses richtet sich an Betroffene, die auf freiwilliger Basis tätig werden wollen. Eigentümer, Landbewirtschafter, Bürger und Gemeinde erarbeiten dann vor Ort gemeinsam mit Fachleuten umsetzbare, praktische Verbesserungen.
Abhilfe schaffen würden Maßnahmen, die den Oberflächenabfluss abbremsen und das Wasser zurückhalten, wie Hangunterteilungen (quer verbaute Erosions-/Grünschutzstreifen), bewirtschaftbare Staubereiche und begrünte Abflussmulden oder Zwischenfruchtanbau. Ein Agrarökologe des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sensibilisiert für das Thema. Doch es sind viele einzelne Eigentümer, v.a. viele Pächter, die dafür erst gewonnen werden müssen.
Unterdessen wird im Bereich des Exkursionsstandorts ein weiteres Projekt angegangen, das Abhilfe schaffen soll: Landwirtschaftliche Straßen werden höher gelegt, um den Fließweg des Wassers in den Ort zu unterbinden.
Das Soziale an der Fläche
Bürgermeister Heinrich Seißler begrüßte das Team in Klingsmoos, ein Ortsteil seiner Gemeinde Königsmoos. Eine Siedlung wie sie im Donaumoos und anderen planmäßigen Anlagen von solchen „Kolonisationsgebieten“ durchaus typisch ist, nämlich ein „Straßendorf“. Tatsächlich reihen sich die Häuser in regelmäßigen Abständen links und rechts entlang der langen, kerzengeraden Straßenachse. Ein Zentrum gibt es nicht „Wir hatten in Klingsmoos keine Dorfmitte, auch keinen Bäcker, Metzger oder Wirt“, sagt Seißler und fügt hinzu „Aber eine sehr engagierte Bürgerschaft“.
In Klingsmoos ist daher die „Soziale Dorferneuerung“ mit Nahversorgung ein besonders wichtiges Thema. Ein zentrales Anliegen wurde mittlerweile realisiert: Seit 2022 gibt es einen Dorfladen. Auch das sanierte Kriegerdenkmal und ein Mädchen- und Burschenvereinsheim, aktuell noch mit Sanierungsbedarf, werten das Areal als Dorfmitte auf.
Der „MoosLaden“ mit Café wurde von den Bürgern initiiert und vorangetrieben. Als Dorfladengesellschaft sind sie auch der Betreiber. Das Gebäude wurde durch die Gemeinde auf eigenem Grund errichtet, bezuschusst mit Mitteln aus der Dorferneuerung – „ohne die Förderung hätte es nicht geklappt“, gab Seißler zu, betonte aber zu gleich: „Für uns ist das ein Beitrag ganz im Sinne des Staatsziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse.“
„So viel Fläche, ‚bloß‘ für ein Cafe?“ würden ihn manchmal Gäste fragen. „Ja“, antworte er dann voller Überzeugung. Nie hätte er gedacht, wie wertvoll der MoosLaden für die Gemeinde weit über die Einkaufsgelegenheit hinaus sein würde. Doch er sei ein beliebter Treffpunkt geworden. So resümierte der Bürgermeister: „Ein tolles Gemeinschaftsprojekt. Vielleicht nicht perfekt, aber verdammt nah dran“.
Wiedervernässung ...
Den „heiligen Berg“ nannte Mathilde Ahle das nächte Exkursionsziel, die Anhöhe Moosberg bei der Gemeinde Langenmosen schmunzelnd. Denn hier versammelten sich Ministerpräsident Dr. Markus Söder, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Umweltminister Thorsten Glauber sowie LBV-Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer und der damalige BBV-Präsident Walter Heidl am 4. Mai 2021 für einen Ortstermin.
„Ich werde den Tag nie vergessen“, erinnerte sich die Bürgermeisterin von Langenmosen. „Alle waren sie da. Es war ein unglaublicher Rummel mit vielen Pressevertretern, aber skeptischen Landwirten. Der Ministerpräsident hat dabei das Ziel für den Klima- und Moorbodenschutz in Donaumoos verkündet“.
Die frühere Kreisbäuerin Ahle findet es „sehr, sehr gut, dass dadurch etwas vorangeht.“ Die Folgen der Starkniederschläge in diesem Jahr haben für sie deutlich gezeigt, dass etwas getan werden muss. „Das ist einfach so. Und gerade die Landwirte leben mit und von der Natur.“
Von dem Hügel aus überblickt man gut das Gebiet, in dem eines der Pilotprojekte im Donaumoos umgesetzt werden soll. bereits vor längerem hatte die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt untersucht, inwiefern sich Flächen im Gebiet aufgrund ihrer Topografie, Hydrologie und Bodenstruktur eignen und welche Maßnahmen in Frage kommen, um den Grundwasserstand dauerhaft wieder zu erhöhen. Die an das Projektgebiet angrenzenden Flächen dürfen dabei nicht negativ beeinflusst werden. Maßnahmen können z.B. sein: Kappung von Drainagen, um ihre Entwässerungsfunktion zu unterbinden, eventuell verstärkt durch Staubauwerke an Gräben. Eine weitere Option wäre die oberflächliche Verrieselung von Wasser in Hanglagen und Senken.
Neben der Klärung technischer und ökologischer Fragen sind auch wasser- und naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Bei einer Anhebung des Wasserstands sind zudem mehrere Grundstückseigentümer betroffen. Zur Erinnerung: Es gilt das Gebot der Freiwilligkeit. Lorand Boksan (ALE, Donaumoos Team) spricht daher mit jedem einzelnen Landwirt und versucht sie zu überzeugen, berichtete Monika Hirl. Einige würden bereitwillig mitmachen, manche, v.a. jüngere, seien sogar begeistert von der Vorstellung, auch etwas völlig Neues auszuprobieren zu können und bringen auch eigene Ideen ein. Doch „wenn nur ein einziger nicht mitzieht, den man für das Projektgebiet aber braucht, kann das ganze Vorhaben kippen“, erklärte sie. Für einen freiwilligen Landtausch bräuchte es außerdem geeignete Flächen, die man anbieten kann. Auch in diesem Teil des Donaumooses könnte die Situation besser aussehen.
...braucht Wertschöpfung
Um die Akzeptanz zu steigern, wurden im Projekt „MOORuse“ moorschonende, standortangepasste Nutzungsalternativen erprobt, die sich mit einer Teil- oder Wiedervernässung kombinieren lassen. Hier kommen Paludikulturen ins Spiel, also Pflanzen, die in Mooren wachsen und Nässe gut vertragen. Auf diese Weise lassen sich der Moorbodenschutz und Klimaschutz mit der Landwirtschaft und der Erzeugung von nachhaltigen Produkten kombinieren.
Dabei wird Neuland betreten, denn ein Transfer aus anderen Projekten mit Paludikulturen, etwa der Universität Greifswald, ist nicht so einfach möglich, da die Bedingungen an anderen Standorten variieren können.
Zu den Paludikulturen gehören unter anderem Schilf, Rohrkolben, Rohrglanzgras und Großseggen. Lassen sich diese Pflanzen an den Standorten etablieren? Können die Landwirte damit arbeiten und ein Einkommen erzielen? Wie wirkt sich der Anbau auf den Ausstoß von Treibhausgasen und die Biodiversität aus? Das sind einige der Fragen, die beantwortet werden sollen.
Aktuell wird im Donaumoos bereits eine Palette an Verwertungsoptionen getestet, für die dann auch wirtschaftlich tragfähige Lösungen entwickelt werden sollen. „V.a. Rohrglanzgras und Segge sind für uns sehr interessant“, verriet Michael Hafner, Geschäftsführer des Donaumoos-Zweckverbands. Trotz Ernte schaffen es die Pflanzen seinen Angaben zufolge allein durch die Wurzelbiomasse stellenweise den so wertvollen Moorboden aufzubauen und positiv zur Klimabilanz beizutragen. Und auch das Interesse der Industrie, solche Moorfasern einzusetzen, ist vorhanden. So habe sich bereits ein Automobilzulieferer gemeldet, der nun mit dem Zweckverband an Alternativen für Kunststoffprodukte forscht. Als weiteres Beispiel nannte Hafner die Gmunder Papierfabrik, die für erste „Moor-Postkaten“ bis zu 30 % Rohrglanzgras beigemischt hat. Die Pflanzenfasern sind generell in der Verpackungs- und Papierindustrie sehr gut und vielfältig einsetzbar – sobald die Forschung über das Projekt „Produkte aus Moorfasern“ abgeschlossen ist. Bautechnische Tests sollen außerdem noch mit gepressten Trockenbauplatten für die Bauwirtschaft laufen. Auch hier ist das Interesse an klimaschonenden Alternativen groß.
Wiesenbrüter
Das Donaumoos zählt zu den wenigen Regionen Bayerns, in denen Wiesenbrüter noch in nennenswerter Anzahl auftreten. Zu diesen gehört der Große Brachvogel mit seinem unverwechselbaren langen, gebogenen Schnabel und einem trillernden Ruf. Für Marie Heuberger vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) ist er ein Indikator, der zeigt, ob es dem Ökosystem gut geht – „aber leider geht’s dem Vogel in Europa nicht so gut. Auch das Braunkehlchen, der Kiebitz (Vogel des Jahres 2024), der Wiesenpieper: alle vom Aussterben bedroht“, so Heuberger, die an der TU München Naturschutz und Landschaftsplanung studiert hat. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Florian Prestle kümmert sie sich um das Gebietsmanagement für die Wiesenbrüter.
Diese brauchen offene, weite Landschaften und eine extensive Form der Landwirtschaft, die Artenreichtum zulässt. Die Wiedervernässung – auch eine Chance für seltenen Arten. Ein Projekt, bei dem die örtlichen Landwirte die Maßnahmen zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde und mit Unterstützung des Donaumoos-Zweckverbands, der dazu Flächen zur Verfügung stellt, umgesetzt haben, ist der Bau eines großen Schutzzauns. „Der ist da, um die die Gelege vor Prädation zu schützen, denn die Jagd durch Beutegreifer ist für die Küken die größte Gefahr“, erklärte Heuberger. Ehrenamtliche helfen außerdem Nester aufzuspüren und informieren die Landwirte, die dann achtgeben und vorsichtig um diese herumfahren.
So zeigt es sich: Aller Anfang ist schwer. Das Donaumoos-Vorhaben braucht Pioniergeist und Zusammenarbeit. Aber es bietet tolle Chancen. Das Engagement vor Ort ist auch ein Einsatz für die Gesellschaft.
Silke Franke, Stand 29. Oktober 2024