Alle zwei Jahre lobt die Bayerische Akademie Ländlicher Raum einen Preis für den wissenschaftlichen Nachwuchs aus. Auch für 2022-2024 wurden interessante Arbeiten von unterschiedlichen Hochschulen und Disziplinen eingereicht. Das Wissenschaftliche Kuratorium hat die Preisträger ausgewählt. Die Preisverleihing erfolgte im Rahmen des öffentlichen Teils der Mitgliederversammlung am 26. Juni 2024.
WIR GRATULIEREN SEHR HERZLICH
Kategorie Förderpreise
Dr. Maria Rammelmeier
Engagement für lebendige Regionen.
Wie kann Regionalmanagement kulturelles Engagement in ländlichen Räumen stärken?
Dissertation, Dr. phil.
(Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung)
Begründung der Jury
Maria Rammelmeier geht der Frage nach, wie Regionalmanagement die Rolle von Kulturschaffenden erkennen und ihre Potenziale fördern kann.
Denn kulturelles Engagement kann eine Ressource für eine nachhaltige Entwicklung sein, insbesondere mit Blick auf Innovationsfähigkeit und Zusammenhalt: Es stärkt Kreativität, Beziehungsreichtum, Vertrauen und lokale Identität – Faktoren, die auch für die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen eine Rolle spielen. Rammelmeir greift bei ihrer Analyse souverän auf Theorien der kulturellen Milieus, von Netzwerken und weichen Standortfaktoren zurück.
Rammelmeier untersucht, welche organisatorische Einbettung kulturelles Engagement möglich macht oder stärkt. Dabei verhehlt sich nicht, dass es auf lokaler Ebene auch Abgrenzungsprozesse und Isolation von Kulturschaffenden gibt. Ihre „Akteurslandkarten“ ermöglichen es aber auch, neue Akteure zu identifizieren. So arbeitet die Autorin Schritt für Schritt die Erfolgs- und Einflussfaktoren der kulturellen Entwicklung in ländlichen Regionen heraus.
Ihr Werk bietet damit eine solide wissenschaftliche Grundlage und Empfehlungen, wie die kulturelle Arbeit vor Ort mit den Aufgaben des Regionalmanagements verbunden werden kann. Aus Sicht der Jury stellt dies einen konkreten Beitrag zur zukunftsfesten Entwicklung ländlicher Räume dar.
Dr. Verena Schröder
Mensch-Wolf-Beziehungen in der alpinen Kulturlandschaft. Transaktionen, Intraaktionen und Resonanzen: Eine mehr-als-menschliche Geographie
des Verbundenseins.
Dissertation, Dr.rer.nat.
(Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Geographie)
Begründung der Jury
Die Wölfe kehren zurück und damit geraten die Grenzen zwischen Kultur und Natur ins Wanken. Die medialen Reflexe sind hoch, die Diskussionen aufgeheizt. Verena Schröder entwickelt einen neuen, transdisziplinären Ansatz zum besseren Verstehen der Mensch-Tier-Beziehung.
Ihre Dissertation setzt sich mit den „transformativen Erfahrungen“ auseinander, die Mensch-Wolf-Begegnungen wechselseitig auslösen: „niemand bleibt in den betroffenen Gebieten von den Tieren unberührt, so wie auch umgekehrt die Menschen und deren Spuren und Gerüche die Wölfe verändern“.
Damit wagt sie sich an eine völlig neue Methode der Erforschung von Beziehungserfahrungen. Durch Befragungen in einer Schweizer Region mit etabliertem Wolfsrudel gewährt sie tiefe Einblicke, wie Betroffene die „Logiken der Wölfe“ wahrnehmen, warum manche Menschen weniger und andere stärker gewillt sind, sich auf Wandel einzulassen, und woran sie sich tatsächlich stören.
Die Arbeit zeugt von großer Sensibilität und Mut, denn sie durchbricht eine auf menschliche Kontrolle und Dominanz basierende Denk- und Lebenswelt. Die Verfasserin nutzt dabei auch die Darstellungsform einer tierzentrierten Erzählung in Comics als Zugang, um die Logiken von Wölfen besser nachvollziehbar zu machen und sie als Mit-Wesen betrachten zu können.
Auf dieser Grundlage erschließen sich Potenziale für ein Wildtiermanagement, welches nicht nur die Anliegen der Menschen, sondern auch die der Tiere berücksichtigt. In der – durchaus selbstkritisch – Reflexion begreift sie ihren Ansatz als offenen, erweiterbaren Entwurf.
Die Dissertation bietet für die naturphilosophischen aber auch praktischen politischen Diskurse eine neue Art der Themenerschließung und wichtige Denkanstöße für ein Miteinander, in dem die Interessen aller Beteiligten Berücksichtigung finden.
Elisabeth Maier
GRADwanderungen . eine Wasserkulturlandschaft
Bachelorarbeit
(TU München, Landschaftsarchitektur)
Begründung der Jury
Die Landschaft steht – in ihrer Funktion als Erholungs-, Produktions- und Naturraum – unter enormen Druck und muss unterschiedlichen Ansprüchen gerechten werden. Die Auswirkungen des Klimawandels wirken sich hier in besonders dramatischer Art und Weise aus, wie die aktuellen Bilder aufgrund der Starkregenereignisse verbunden mit extremen Hochwassern in weiten Teilen Bayerns zeigen. Daher steigt die Notwendigkeit die Landschaft an den Klimawandel anzupassen und klimagerechte Antworten in der Landschaftsgestaltung zu finden. Dieser aktuellen Aufgabenstellung widmet sich die Bachelorarbeit.
Elisabeth Maier hat ein umfangreiches und detailreiches Konzept zur klimagerechten Transformation der Landschaft im Speckgürtel von München bis zum Naturschutzgebiet Ampermoos entwickelt. Das integrierte Gesamtkonzept einer Wasserkulturlandschaft fokussiert zugleich die Stärkung vorhandener ökologischer, ökonomischer und sozialer Strukturen. Blaue, grüne und graue Landschaftselemente, die gezielt durch einen Wanderweg miteinander verbunden werden, bilden die Basis der Wasserkulturlandschaft, die eine Transformation der Landschaft zur Schwammlandschaft darstellt.
Die umfangreiche, innovative Arbeit mit ihrem hohen gestalterischen Anspruch lädt ein, sich mit dem Thema Landschaftsgestaltung in seiner Gesamtheit zu beschäftigen. Sie kann einen wertvollen Beitrag leisten, die Transformation der Kulturlandschaft zukunftsgerecht zu denken und zu planen und das Miteinander von Erholung, Produktivität und Naturschutz gewinnbringend miteinander zu vernetzen.
Kategorie: Anerkennungspreise
Christina Klausmann
Die Straße der Obsolenzen
Megatrends und ihre Auswirkungen auf ländliche Räume
am Beispiel Landshut.
Masterarbeit
(Universität Kassel, Architektur Stadtplanung Landschaftsplanung)
Begründung der Jury
Wäre es nicht gut, mögliche Zukünfte für das Leben auf dem Land besser abschätzen zu können, um dann mit kluger Dorfentwicklung Potenziale des Siedlungsbestands besser nutzen und mit drohenden Risiken besser umgehen zu können? Christina Klausmann verfolgt diesen Ansatz in ihrer Masterarbeit. Mit Blick auf gesellschaftliche Megatrends identifiziert sie räumliche Elemente, die davon womöglich betroffen und kombiniert sie mit möglichen Konstellationen zu einer „Obsolenzenztypologie“.
Für die Entwicklung dieses der „Früherkennung“ dienlichen Werkzeugkastens fokussiert die Verfasserin auf die ländlichen Räume im Landkreis Landshut. Sie stellt dabei in vielen Siedlungen wiederkehrende Muster fest: Vielfach sind es vergleichbare Nutzungen, in vergleichbaren Baustrukturen an ähnlicher Lage beheimatet, welche das größte Ausfall- und Leerstandsrisiko tragen. Und dieses neue systematisierte Wissen zum Raum könnte es nun in der Tat ermöglichen, frühzeitig(er) die Herausforderung der Dorferneuerung anzugehen und Szenarien der Transformation zu entwerfen.
Mit der Entwicklung des Werkzeugkastens allein will es die Autorin in der hervorragend geschriebenen und in plakativer Art grafisch zugänglich gemachten Abschlussarbeit allerdings nicht bewenden lassen. Sie legt mit dem Versuch einer entwerferischen Anwendung nach und stößt damit auch an die Grenzen der selbst entwickelten Methode. Aus Sicht der Jury setzt die Autorin damit in der höchst anerkennenswerten Masterthesis auch bereits die Agenda für eine vertiefende und systematisch verfeinernde Beschäftigung mit den selbstentwickelten Methoden.
Mit der Auszeichnung möchte die Jury gerne genau hierzu ermutigen und ist auf die weitere Entwicklung des originellen Denkansatzes für die Gestaltung der Zukunft ländlicher Siedlungen gespannt.
Philip Swoboda
„Zsamm wachsn“
Ganzheitliche Transformative für zukünftiges Leben auf dem Land.
Nachhaltige Wohnkonzepte und resiliente Dorfstrukturen
auf dem Land – Kleiner Wohnen in Redwitz an der Rodach.
Bachelorarbeit
(Hochschule Coburg, Architektur)
Begründung der Jury
Philip Swoboda verbindet thematisch den sich immer deutlicher in Extremwetterereignissen manifestierenden Klimawandel mit den nach wie vor vorherrschenden flächen- und ressourcenverbrauchenden Siedlungsentwicklungen durch Einfamilienhausgebiete in ländlichen Gebieten.
Mit seinem Fokus auf die Gefährdungen durch den Klimawandel macht Swoboda die Dringlichkeit von ganzheitlichen Transformationen deutlich und zeigt in seinem Vorschlag – durchaus die Grenzen der Realisierbarkeit austestend– am Beispiel der oberfränkischen Gemeinde Redwitz mögliche Handlungsansätze im baulichen, ökologischen und sozialen Bereich. Dabei sieht er das Dorf selbst als „Initiator und Transformationstreiber“, das in übergeordneter Rolle gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie „Pionieren des Wandels“ resiliente Dorfstrukturen und alternative Wohnkonzepte auf den Weg bringen kann.
Mit seinem unkonventionellen Ansatz zeigt Swoboda vielfältige Möglichkeiten des Handelns auch auf kleinräumlicher Ebene auf und verdient dafür eine Anerkennung. Die Jury hofft, dass die Auszeichnung Herrn dazu ermutigen, die erfrischende und kreative Art der Beschäftigung mit der entwerferischen Praxis für die Gestaltung zukünftiger ländlicher Lebensumgebungen fortzusetzen und einem Masterstudiengang vertiefend für sich zu erforschen!
Christian Forstner
Wiedervernässung von Mooren
Bewahrung eines wertvollen Ökosystems in Hinblick auf den Beitrag der Ländlichen Entwicklung und die Erfolgsfaktoren zum Moorschutz.
Bachelorarbeit Duales Studium
(Hochschule München/ Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern)
Begründung der Jury
Christian Forstner stellt in seiner Bachelorarbeit ein hochaktuelles Thema gut strukturiert dar,
wobei er sich anhand umfangreicher Literatur intensiv mit der Problematik auseinandersetzt.
Einer umfassenden Darstellung der Ökosystemleistungen von Mooren und allgemeingültigen Maßnahmen zum Moorschutz folgen mögliche Beiträge der Ländlichen Entwicklung, die er anhand zweier Flurneuordnungsverfahren beschreibt. Die Instrumente der Ländlichen Entwicklung, die in der Diskussion allerdings nur kurz angerissen werden, sind in Verbindung mit dem fachlichen Schwerpunkt Moorrenaturierung ein relativ neuartiges Themenfeld.
An der Arbeit herauszustellen sind daher die von ihm herausgearbeiteten Kriterien für eine erfolgreiche Moorrenaturierung als eine hilfreiche Stütze für Verantwortliche, die künftig mit solchen Projekten zu tun haben.
Die Auflistung und Diskussion verschiedener Nutzungsformen und -intensitäten bis hin zur Nichtnutzung, die Empfehlung, Förderinstrumente noch besser auf den Moorschutz auszurichten sowie das Eingeständnis, dass die Flächenverfügbarkeit der limitierende Faktor schlechthin ist, zeugt von hoher Sensibilität und auch Mut des Verfassers, Dinge kritisch zu hinterfragen.
Der lehrbuchartige Charakter, die strukturierte Herangehensweise, die umsetzungsorientierten Lösungsansätze dieser Bachelorarbeit verdienen einen Anerkennungspreis!
Alena Wartha
Coworking als innovativer Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume?
Bachelorarbeit
(Universität Augsburg, Geographie)
Begründung der Jury
Alena Wartha fragt aus der Perspektive der Raumordnung, inwieweit der neue Ansatz des Coworking einen erkennbaren Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume zu leisten vermag. In der Diskussion der Ergebnisse wechselt sie die Perspektive, fragt nun, inwiefern mit Instrumenten der Raumordnung die Beobachteten Effekte gezielt planerisch eingesetzt, ausgelöst oder verstärkt werden können.
Gut strukturiert und fachkundig argumentiert erreicht diese Arbeit damit ein für eine Bachelorarbeit höchst bemerkenswertes Diskursniveau. Entlang klug gewählter Prüfkriterien werden die Beobachtungen von Frau Wartha zunächst bewertet und, soweit sinnvoll, auch weiterführende Handlungsempfehlungen gegeben.
Der Verfasserin gelingt es, teilweise auch unkonventionelle Ideen verfolgend, interessante (Entwicklungs-)Pfade zu entdecken, die gemeinschaftliche Orte des Arbeitens in den ländlichen Raum stärken könnten. Interessant ist auch die Betrachtung von Coworking-Spaces als Räume und Standorte, welche die räumliche Organisation von Alltagsroutinen lenken und die Bereitstellung von Daseinsvorsorge erleichtern können.
Ihre Diskussion, wie Instrumente der Raumordnung zur Einführung und Unterstützung von Coworking in ländlichen Räumen eingesetzt werden könnten, ist besonders zu würdigen. Sie greift die kleinräumigen Ebenen der informellen Planungsinstrumente wie auch ihre Verquickung mit den großräumigeren Ebenen der formellen Regionalplanung und des Landesentwicklungsprogramms in kritisch-konstruktiver Weise auf und diagnostiziert dabei eine Schere zwischen Anspruch und Umsetzungslogik auf der Ebene des Landesentwicklungsprogramms.
Die gut gemachte Bachelorarbeit stößt dennoch – zwingend – an Grenzen: trotz sorgfältiger Literaturarbeit kann Frau Wartha auf nur einen begrenzten Stand an belastbarer und quantifizierender Forschung zurückgreifen. Doch gerade weil der Trendwandel der Arbeitsmodelle für die wirtschaftliche und soziale Strukturentwicklung durchaus relevant ist und kluge räumliche Integration ein hohes Potenzial für die Sicherung der Lebensqualitäten im Ländlichen Raum bieten kann, wollen wir mit dem Anerkennungspreis den Anstoß geben, forscherisch am Thema dran zu bleiben und die Grundlagen zu schaffen, um die diskutierten Potenziale in Zukunft wissenschaftlich untermauert zu aktivieren!
Fotos: Theresa Schäfer
Text: Silke Franke/ Wissenschaftliches Kuratorium ALR