Die Akademie im Austausch mit RENN Süd - in Furth b.L.
Ein gegenseitiges Treffen zum Kennenlernen des Wissenschaftlichen Kuratioriums und des „Kommunalforum Dasein 2.17“* in Furth bei Landshut war der Anlass, sich den interessanten Ort auch gleich näher anzuschauen. Bürgermeister Horsche selbst, führte die Teilnehmer durch die Gemeinde, die auch Fördermitglied der ALR ist.
(*Das Forum ist ein dynamisches Netzwerk von BürgermeisterInnen, Bildungseinrichtungen und Fachorganisationen, im Sommer 2022 initiiert von RENN.süd, dem Zentrum für nachhaltige Kommunalentwicklung in Bayern, und dem forum1.5 der Universität Bayreuth)
Furth b.L., im niederbayerischen Hügelland gelegen, war früher eine Hofmark (die letzte Hofmarksinhaberin, Baronin Philomena von Hornstein, starb 1943). Das Schloss war jahrhundertelang ortsprägend. Während die Großbauern ihre Höfe im Außenbereich bei ihren Feldern ansiedelten, wohnten die Kleinbauern direkt um das Schloss herum. Diese haben somit die eigentliche Ortsentwicklung begründet.
1915 wurde das Kloster Furth gegründet, es gehört zum Orden der Maristen-Schulbrüder. Ihren Anfang nahm die Gemeinschaft in Frankreich im 19. Jahrhundert mit Marcellin Champagnat, einem Pionier der christlichen Erziehung der Jugend. Die Maristen bauten in Furth eine Klosterkirche und übernahmen den Gutshof und die Schlossbrauerei. Zum Kloster gehörten auch eine Druckerei, eine Gärtnerei sowie eine Oberrealschule. Auch wenn hier nur noch etwa 16 Fratres leben, ist Furth bis heute der Stamm- und Friedhofsort der Maristenbrüder in Deutschland.
Mit dem Strukturwandel gingen die Versorgungsangebote in der Gemeinde zurück. In dieser Situation wurde Dieter Gewies 1996 zum Bürgermeister gewählt (inzwischen Altbürgermeister und Ehrenbürger der Gemeinde und nach wie vor Ordentliches Mitglied der ALR). Er hatte zum Ziel, die Agenda 21 – also eine nachhaltige Entwicklung – umzusetzen. Dabei entwickelte er mit der Gemeinde behutsam Strategien, vor allem in den Bereichen erneuerbare Energien/ Umwelt, Soziales und Innenentwicklung
Ab 2002 wurde das Dorfzentrum neu gestaltet. Ein lebendiger, klug durchdachter Mittelpunkt entstand. In den Untergeschossen des Gebäudeensembles sind Nahversorgungsangebote untergebracht, etwa Dorfladen, Bäckerei, Pizzeria und Schreibwarengeschäft. Die oberen Geschossen bieten barrierefreies Wohnen für alle Generationen. Der Dorfplatz ist optisch in einem „italienischen Stil“ gehalten. Horsche: „zunächst wurde dieser Stil belächelt, aber letztendlich haben wir dafür bereits mehrfach Auszeichnungen erhalten“.
Von der Dorfmitte aus setzen auch die weiteren Infrastrukturangebote an, die in Dichte und Qualität für ein Kleinzentrum dieser Größenordnung (etwas über 3.000 EW) beachtlich sind. Beispiel Bildung und Soziales: Kinderhaus mit Kinderkrippe, Regel-, Integrativ- und Waldkindergarten; Mittagsbetreuung, Mittagstisch, Hort und Hausaufgabenbetreuung; Grund- und Hauptschule und Maristen-Gymnasium; Zentralbücherei, Lern- und Therapiezentrum und Jugendberatung; Caritas-Seniorenheim und betreutes Wohnen.
Im Jahr 2015 wurde das Kloster durch das Further Kommunalunternehmen erworben. Um die besten Lösungen für die Nutzung des Klosterareals zu finden – sprich eine nachhaltige Nutzung mit einem Mehrwert für alle Gemeindebürger – wurde ein Zukunftsrat eingesetzt, bestehend aus Gemeinde, Kommunalunternehmen, Maristenbrüdern, katholischer Kirche und Nutzern des Objekts sowie einem Planer.
Daraufhin wurden Gebäude modernisiert oder neu gebaut, wobei bisherige Funktionen in die heutige Zeit überführt wurden: Wo früher die „Alte Druckerei“ und die „Alte Schule“ beherbergt waren, entstand das „Seminar- und Schulungszentrum Kloster Furth“ mit der bayerischen Verwaltungsschule als Kooperationspartner (seit 2019 in Betrieb). Und im Bereich der „Alten Ökonomie“ steht nun die Solar GmbH.
Neu erbaut wurde auch eine kleine Schaubrauerei samt Bräustüberl und Klosterdestillerie, alles in Holz und Glas gehalten (2020 eröffnet). Horsche: „Während überall Wirtshäuser zugemacht haben, hat Furth sogar ein neues erbaut. Inzwischen gibt es sogar wieder sieben Wirtshäuser“. Furth ist daher Best-Practice-Beispiel im Seminar der SDL Plankstetten „Unser Wirtshaus stirbt, was tun?“.
Aus der ehemaligen Klosterkirche wurde ein Bürgersaal mit Platz für Veranstaltungen, Theateraufführungen und Konzerte, wobei die Orgel der Klosterkirche erhalten wurde. Auch die ehemaligen Gestühle fanden eine Verwendung: aus ihnen wurden die Schubladen für die in der Destillerie nach einem Geheimrezept eingesetzten Kräuter.
Der Landkreis Landshut ist der entwicklungsstärkste Deutschlands, mit 7 % Bevölkerungswachstum. Im Zuge der Innenentwicklung wurden alte, brachliegende Flächen in Hanglage (vormals Areals des Alten Klostergartens) mit mehrgeschossigen Wohnbauten bestückt (Ein- und Mehrfamilienhäuser). Dabei sollte das Kloster weiterhin sichtbar bleiben und von Ferne optisch herausstechen. Die Giebel der Wohnhäuser wurden entsprechend angepasst.
In unmittelbarer Nähe zu dem Schulzentrum wurde für die aktuell 400 Futher Kinder ein neuer Kindergarten mit Hort und Tagesstätte gebaut (Investitionssumme: 13 Mio. Euro). Träger ist die Diakonie. Die Verpflegung wird durch die Klosterkantine gesichert. Die Verkehrsbucht, an der Eltern halten, um ihre Kinder aussteigen zu lassen, dient im Anschluss als „Bobbycar-Rennstrecke“. Horsche: „Wir versuchen, wo immer möglich, einen multifunktionalen Ansatz zu verfolgen“.
Wichtig ist der Gemeinde auch, möglichst viele fußläufige Verbindungen entsprechend dem Primat der kurzen, sicheren Wege zu schaffen.
Für die Teilnehmer besonders interessant war die Bereitschaft der Gemeinde, als ersten Schritt sich das Grundstück zu sichern. Horsche „Die Ideen, was damit passieren soll, kommen durch die Bürgerbeteiligung. Die Umsetzung erfolgt Schritt für Schritt. Wir wussten dabei: Auf lange Sicht werden wir schwarze Zahlen schreiben“.
Eine wichtige Funktion hat das Kommunalunternehmen. Es wurde 2009 als 100%ige Tochter der Gemeinde gegründet und hatte die Aufgabe, erneuerbare Energien auszubauen. Mit der Zeit kamen weitere Sparten dazu, so dass die Kernaufgabe nunmehr die Gemeindeentwicklung ist.
- Initialzündung – Plattformen schaffen (Grundstücke als Optionsflächen)
- Statt „Verwaltungsdenken“: Unternehmerisches Denken
(Kommunalunternehmen!) - Orientierung an Gemeinwohl, multifunktionalen Lösungen
- Ideen kommen dann schon durch Bürgerbeteiligung.
Silke Franke, April 2024